Ist Künstliche Intelligenz Teil des „göttlichen Schöpfungsakts“?

Die Frage des ethischen Umgangs mit Technologie und insbesondere Künstlicher Intelligenz war eines der zentralen Themen von Papst Leo XIV. in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit. In einer kürzlich veröffentlichten Botschaft hat der Pontifex eine positive theologische Vision von Technologie formuliert, der er eine Teilhabe am göttlichen Schöpfungsakt zuweist. Und was bedeutet dies jetzt für den Einsatz von KI in der pastoralen Arbeit vor Ort in den Pfarreien?

KI als „Werkzeug“ mit „außergewöhnlichem Potenzial“

Bereits in seiner Botschaft an die „Zweite Jahreskonferenz über Künstliche Intelligenz, Ethik und Unternehmensführung“ am 19. Juni 2025 in Rom hatte Papst Leo XIV. seine Position zur Künstlichen Intelligenz formuliert. Der Pontifex attestierte KI ein „außergewöhnliches Potenzial“ zum Wohl der Menschheit, betont aber zugleich die fundamentale Einordnung: „Künstliche Intelligenz ist ein außergewöhnliches Produkt menschlichen Genies, bleibt aber vor allem ein Werkzeug.“ Die Werkzeug-Metapher ist für Papst Leo zentral: Sie markiert die klare Grenze zwischen menschlicher Kreativität und maschineller Simulation und unterstreicht, dass die ethische Tragweite von KI von den Absichten ihrer Schöpfer:innen und Nutzer:innen abhängt.

Jetzt schrieb Papst Leo XIV. in seiner Botschaft zum „Builders AI Forum“ am 6. November 2025 in Rom: „Technologische Innovation kann eine Form der Teilhabe am göttlichen Schöpfungsakt sein. Sie trägt eine ethische und spirituelle Bedeutung, denn jede Design-Entscheidung drückt eine Vision von Menschlichkeit aus. Die Kirche ruft daher alle Entwickler von KI auf, moralisches Urteilsvermögen als grundlegenden Teil ihrer Arbeit zu kultivieren – um Systeme zu entwickeln, die Gerechtigkeit, Solidarität und echte Ehrfurcht vor dem Leben widerspiegeln.“

„Entwicklung von KI als ekklesiale Aufgabe“

In seiner Botschaft an die Forum-Teilnehmer formulierte der Papst weiterhin: „Die Frage ist nicht nur, was KI tun kann, sondern wer wir durch die Technologien werden, die wir entwickeln.“ Er forderte, „dass die Entwicklung von KI eine zutiefst ekklesiale Aufgabe“ sein müsse: „Ob man nun Algorithmen für katholische Bildung entwirft, Werkzeuge für mitfühlende Gesundheitsversorgung oder kreative Plattformen, die die christliche Geschichte mit Wahrheit und Schönheit erzählen – jeder Teilnehmer trägt zu einer gemeinsamen Mission bei: Technologie in den Dienst der Evangelisierung und der ganzheitlichen Entwicklung jeder Person zu stellen.“

KI im Pfarreialltag

Was bedeutet dies jetzt für den Einsatz von KI in der pastoralen Arbeit vor Ort in den Pfarreien? Carsten Leinhäuser, Priester aus Winnweiler im Bistum Speyer, schreibt in unserem Partnerportal explizit.net einige Use-Cases für den Einsatz von „KI im Pfarreialltag“ wie Pfarreiorganisation, Predigtschreiben und Analyse des Pfarrbriefes. Der Autor des Buches „Die Dinos dachten auch, sie hätten noch Zeit – Kirche muss sich endlich ändern“ möchte damit einen Dialog über Chancen und Herausforderungen von KI in der pastoralen Arbeit anregen:

„Wichtig bleibt: KI übernimmt keine Verantwortung. Sie kennt keine Gewissenserforschung, keine Unterscheidung der Geister. Sie ist ein Werkzeug. Theologisches Urteil, pastorale Klugheit und letztlich auch die Entscheidung vor Gott bleiben bei uns Menschen.“

KI ist weder Teufelswerk noch Heilsbringer, sondern Chancenbringer

Die jüngsten Aussagen von Papst Leo XIV. zum technologischen Fortschritt und zu Künstlicher Intelligenz markieren einen neuen Akzent gegenüber seinem Vorgänger Papst Franziskus:

Leo XIV. sieht in verantwortungsvoll entwickelter Technologie nicht nur eine Gefahr – wie Papst Franziskus –, sondern auch eine Chance zur Mitgestaltung der Schöpfung. Diese neue theologische Deutung öffnet einen Raum für verantwortungsvoll gestaltete KI-Entwicklung im Dienst der Evangelisierung. Der Pontifex betont, dass „künstliche Intelligenz entsteht, wie jede menschliche Erfindung, aus der kreativen Fähigkeit, die Gott uns anvertraut hat.“

Fazit: Künstliche Intelligenz ist weder Teufelswerk noch Heilsbringer, sondern ein Chancenbringer. Ob technologische Innovation dabei „göttliche Schöpfungskraft“ (Papst Leo XIV.) erreichen kann, ist eine spannende theologische Frage. Viel entscheidender aber dürfte wohl sein, wie wir Menschen neue Technologien – wie KI – als Werkzeug einsetzen.

Sei es zum Guten oder zum Bösen? Diese Frage stellt sich bei allen technologischen Entwicklungen, von Oppenheimers Atombombe bis zur Entwicklung der Künstlichen Intelligenz, die von Alan Turing und John McCarthy inspiriert wurde.

Papst Leo XIV. signalisiert, dass die katholische Kirche die digitale Transformation als zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts ernst nimmt – und bereit ist, die katholische Soziallehre und die „Algor-Ethik“ als (kritisches, aber konstruktives) Korrektiv in die Debatten einzubringen.

Papst Leo schrieb: „Die Kirche kann und muss bei der ethischen Gestaltung der KI-Revolution eine führende Rolle spielen.“ Und aus diesem „Muss“ kann eine Chance erwachsen!

Lesetipp aus unserem Partnerportal explizit.net: https://explizit.net/medien/artikel/ki-im-pfarreialltag/

Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)