In den letzten Tagen meldeten sich Prominente und der Vatikan zum Thema Künstliche Intelligenz zu Wort. Während Promis wie Steve Wozniak und Richard Branson sich in einer Petition für „ein Verbot der Entwicklung von Superintelligenz“ aussprachen, vermeldete der Vatikan, dass sich ein weiteres Technologieunternehmen seiner Initiative für eine „Algor-Ethik“ angeschlossen hat. Beide Initiativen setzen sich dafür ein, dass der Mensch die Hoheit über die KI behält. Die Frage lautet also: Freie Fahrt für die KI oder deren Begrenzung durch Leitplanken?
Zu den Unterzeichnern der „Superintelligence“-Petition gehört der Franziskaner Paolo Benanti, Professor der Päpstlichen Gregoriana Universität in Rom. Von ihm stammt die Aussage: „KI kann ein Werkzeug sein oder zur Waffe werden“ und der Konsultor des Vatikans fordert daher ‚Leitplanken für KI‘ – ähnlich wie die Gurtpflicht in Autos. „Stellen Sie sich das wie einen Sicherheitsgurt vor, der verhindert, dass die Würde des Menschen, unser verletzlichster Teil, durch die Geschwindigkeit von Innovationen beschädigt wird. Diese müssen immer dem Gemeinwohl dienen, (…) sonst besteht die Gefahr, dass sich ein ‚religiöses Maschinenverständnis in der Gesellschaft ausbreitet‘.“
„Wir müssen Raum schaffen für eine angemessene menschliche Kontrolle über von KI- Programmen getroffene Entscheidungen für die Menschenwürde.“ (Papst Franziskus)
Der Begriff „Algor-Ethik“ (oder „Algorethics“) wurde im Jahr 2018 von Paolo Benanti geprägt, der auch den von Papst Franziskus 2020 unterzeichneten „Rome Call for AI“ mitinitiiert hat. Der Appell ist ein nicht bindendes Dokument zur Förderung einer gemeinsamen globalen Verantwortung für die Ethik der KI. Die Idee,ethischePrinzipien nicht nachträglich auf fertige Technologien anzuwenden, sondern sie von Anfang an in die Entwicklung von KI-Systemen einzubetten, basiert auf sechs grundlegenden Prinzipien: Transparenz, Inklusion, Rechenschaftspflicht, Unparteilichkeit, Zuverlässigkeit sowie Sicherheit und Datenschutz. Neben Microsoft und IBM haben bereits mehrere globale Medienkonzerne – jetzt neu am 27. Oktober auch Salesforce – den Appell https://www.romecall.org/ unterzeichnet. Auch Vertreter von elf Weltreligionen unterzeichneten im Juli 2024 in Hiroshima den „Rome Call“, was die interreligiöse Dimension dieser Initiative unterstreicht.
„Er [Rome Call for AI] ist ein Versuch, einen Rahmen zu schaffen, in dem verschiedene Akteure – Kirchen oder Glaubensgemeinschaften, Staaten oder Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und Techfirmen – zusammenkommen und eine KI-Ethik definieren können, um ihr Handeln an diesen Prinzipien auszurichten.“ (Paolo Benanti)
Zur Umsetzung der Initiative hat Papst Franziskus 2021 die Stiftung „RenAIssance Foundation“ ins Leben gerufen, die an die „Päpstliche Akademie für das Leben“ im Vatikan angedockt ist. Erzbischof Vincenzo Paglia verwies im Juni 2025 auf die Unterstützung durch den neuen Pontifex, der KI-Ethik zu einem zentralen Anliegen seines Pontifikats macht: „Wie Papst Leo XIV. erklärte, ist Künstliche Intelligenz eine der Herausforderungen, die unsere Zeit prägen.“ Und Papst Leo sagte in einem Grußwort zum „AI for Good Summit“ in Genf im Juli 2025: „Die Verantwortung für den ethischen Einsatz von KI beginne bei denjenigen, die sie entwickeln, verwalten und überwachen, aber auch die Nutzer müssten diese Mission teilen.“
Trotz der positiven Impulse bleiben Herausforderungen: Der „Rome Call“ ist eine rein freiwillige Selbstverpflichtung ohne rechtliche Bindung, die größtenteils durch US-Konzerne unterzeichnet wurde. Medienkonzerne z. B. aus China oder Russland fehlen bisher. Die Kontrolle der KI-Entwicklung liegt faktisch bei wenigen einflussreichen Tech-Konzernen, was erhebliche Machtasymmetrien schafft. Der Vatikan fordert daher – zu Recht – internationale Vereinbarungen zur Regulierung von KI, ähnlich dem Pariser Klimaabkommen. Dabei ist der Vatikan weder technikfeindlich noch naiv technologieoptimistisch, sondern fordert eine „humanisierte Technologie“ statt einer „technologisierten Menschheit“. Dies könnte laut Vatican News zu einem „digitalen Rerum novarum“ für das 21. Jahrhundert werden.Digital Rerum Novarum: AI at the service of justice and peace
Fazit: Tempolimit statt Vollgas: KI braucht (ethische) Leitplanken!
KI ist bereits jetzt allgegenwärtig und das „the next big think“ wird das Thema „Superintelligence“ sein, welches nach Zukunftsforscher Ray Kurzweil zwischen 2029 und 2034 erreicht werden könnte. Die (kath.) Kirche tut sich gut daran, den technologischen Fortschritt nicht zu „verteufeln“, aber auch KI nicht zum „Heilsbringer“ zu erhöhen.
KI braucht auch „Leitplanken“ (Benanti) und ich würde persönlich ergänzen: auch ein „Tempolimit“, um zügig und vor allem sicher voranzukommen, ohne einen Crash (wie bei der Immobilien- und bei der dot.com-Blase) zu riskieren.
Die Vatikan-Initiative „Rome Call for AI“ unter Papst Franziskus, die von Papst Leo XIV. mit neuen Akzenten weitergeführt wird, ist dafür ein gutes Beispiel. Und auch in Deutschland äußern sich Bischöfe wie Franz-Josef Overbeck (Essen) ähnlich: Künstliche Intelligenz: Liegt die Verantwortung noch beim Menschen?.
Quellen:
Petition „Rome Call for AI“ des Vatikans Stiftung des Vatikans
Christian Schnaubelt (Chefredakteur und Herausgeber von kath.de)