Synodaler Weg in Schieflage

Einige Bischöfe bringen das Schiff des Synodalen Weges beinahe zum Kentern, bei der 4. Synodalversammlung wurde das Ruder noch einmal herumgerissen. Aber wie lange hält das Reform-Schiff noch aus? Ein Kommentar nach drei Tagen Beobachtungen in der Synodalen-Aula in Frankfurt.

Synodaler Weg in Schieflage (Foto: Christian Schnaubelt / KOMMWIRT)

Eine „Ohrfeige“ sei das Scheitern des Grundtextes „Leben in gelingenden Beziehungen“ bei der Synodalversammlung in Frankfurt, so Vertreter des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Unter den Bischöfen war überraschenderweise keine eigene Zweidrittelmehrheit für den Beschluss „Grundlinien einer erneuerten Sexualethik“ zustande gekommen.

Das Wort „Machtmissbrauch“ machte die Runde

Mit diesem Paukenschlag begann am 8. September die vierte – und vorletzte – Synodalversammlung des Synodalen Weges. Es folgten Entsetzen und Tränen. Einige Delegierte verließen den Saal. Es gab eine spontane Solidaritätsaktion und anschließend lange Beratungen, besonders im Raum Spektrum, in der die Bischöfe „nachsitzen“ mussten. Auch am Tag danach war der Schock noch zu spüren. Und obwohl einige Delegierte überlegt hatten abzureisen, blieben alle und betonten die Wichtigkeit, den Synodalen Weg fortzusetzen. Aber eines ging dennoch verloren: Das Vertrauen auf eine offene und ehrliche Zusammenarbeit mit den Bischöfen – „auf Augenhöhe“. Vielmehr machte das Wort „Machtmissbrauch“ die Runde. Dadurch könnte der Reformprozess viel schwerer beschädigt werden als durch die gescheiterte Abstimmung. Alle anderen Texte wurden bisher in zweiter Lesung angenommen, nur dieser eine Text wurde abgelehnt. Warum dann dieser Aufruhr und das drohende Kentern des synodalen „Schiffs“?

Schlag ins Gesicht

Einerseits handelt es sich um einen der zentralen Grundtexte der vier Synodalforen und damit um einen Grundpfeiler des Synodalen Weges. Andererseits war die Überarbeitung der Sexualethik eine der wichtigsten Forderungen nach der MHG-Studie über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Sie bildete quasi die Basis des synodalen Prozesses. Auch wenn in Frankfurt die Handlungstexte „Lehramtliche Neubewertung der Homosexualität“ und „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ beschlossen wurden, bezeichneten Mitglieder von „#Out in Church“ und aus den Betroffenen-Beiräten das Abstimmungsergebnis der Bischofskonferenz als „Schlag ins Gesicht“.

Viel mehr als das Abstimmungsergebnis wurde aber die fehlende Kommunikation und Beteiligung aus den Reihen der Bischofskonferenz kritisiert. Nur wenige Bischöfe hätten sich im Vorfeld in den Foren, Veranstaltungen oder durch Änderungsanträge aktiv an den Diskussionen beteiligt und versteckten sich nun hinter anonymen Abstimmungen. Die Präsidentin der Laienvertretung, des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp warf einem Teil der Bischöfe „mangelnde Mitarbeit“ sowie „Dialogverweigerung“ vor und kritisierte „heimliche Blockierer“ unter den Bischöfen. Zugleich betonte sie: Die Lai:innen würden trotzdem weiter an Bord bleiben, wenn auch nur zähneknirschend.

Kentern abgewendet – vorerst

Beinahe wäre das mit schwerer Schlagseite fahrende synodale „Schiff“ am zweiten Sitzungstag gesunken. Doch mit dem Beschluss des Grundtextes „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ konnte ein drohender vorzeitiger Abbruch der Synodalversammlung verhindert werden. Auch weil der DBK-Vorsitzende Bischof Georg Bätzing mahnende und eindringliche Worte an seine Kollegen im bischöflichen Amt richtete und mehrmals alle Bischöfe zu internen Besprechungen zusammenrief. „Die Bischöfe bitte in den Saal Spektrum“ wurde fast zu einem der geflügelten Wort dieser Versammlung.

Doch auch wenn ein Kentern abgewendet werden konnte: Es ist ein Loch im Schiffsrumpf entstanden und bei der Mannschaft brodelt es. Besonders beim ZdK. Das klang bei der Pressekonferenz zur Eröffnung noch ganz anders: Dort stand noch der gemeinsame Wille zu Reformen im Mittelpunkt. Der Wind hat sich gedreht und der Sturm der Entrüstung und Enttäuschung könnte auch im Nachhinein das Schiff noch zum Kentern bringen. Nämlich nach der nächsten ZdK-Tagung.

Bätzing: „Krise“ der Amtskirche

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz stand bei der 4. Synodalversammlung im Mittelpunkt. Bischof Bätzing musste mit starkem Widerspruch in seinen Reihen kämpfen. Mangels vorheriger Probeabstimmungen war dies für viele überraschend, auch wenn bereits bei der 3. Synodalversammlung die Mehrheiten unter den Bischöfen teilweise nur knapp waren. „Es war für mich ein Schock, dass ich aus den bisherigen Debatten in der Bischofskonferenz die Menge der Ablehnung nicht absehen konnte“, sagte Bätzing in der Abschlusspressekonferenz. Dazu beigetragen hat auch, dass sieben Bischöfe nicht dabei waren, dafür kamen drei Bischöfe, die beim letzten Mal fehlten – darunter der Kölner Erzbischof Rainer Woelki. Am Ende fehlten nur drei Stimmen der Bischöfe für den Grundsatztext, aber dieses Fehlen war ausschlaggebend, um die katholische Amtskirche in eine „Krise“ (Bätzing) zu stürzen.

An Rücktritt denke er nicht, so Bischof Bätzing. Er betonte zugleich: „Ich bin kein Fraktionschef“ – und verdeutlichte damit ein Dilemma: Der Vorsitzende kann den Bischöfen und Weihbischöfen keinen „Fraktionszwang“ auferlegen. Mit der Einberufung von drei kurzfristigen Sitzungen und – wie man hörte – „Probeabstimmungen“ während der Synodalversammlung hat er es dennoch versucht und dafür gesorgt, dass bei den weiteren Abstimmungen die Bischöfe mehrheitlich „mitzogen“. Dazu trug sicherlich auch bei, dass alle weiteren zentralen Abstimmungen namentlich geführt wurden und die Ergebnisse auf online auf synodalerweg.de einsehbar sind.

Rettungsring Synodaler Rat?

Obwohl der Synodale Weg in die Zielgerade einbiegt und nur noch die letzte Synodalversammlung im März 2023 ansteht, droht ein weiterer Sturm. Denn bereits im Vorfeld und während der vierten Versammlung wurde intensiv debattiert, wie es nach dem Synodalen Weg weitergehen soll. Wie kann die katholische Kirche in Deutschland weiterhin synodal tätig sein?

Mit dem Beschluss „Synodalität nachhaltig stärken“ hat die Synodalversammlung DBK und ZdK einen möglichen Rettungsring gegeben. Mit einem Synodalen Ausschuss soll ein langfristiger Synodaler Rat vorbereitet werden, indem gemeinsam Lai:innen und Bischöfe zusammenarbeiten. Allerdings wird über deren Zusammensetzung noch heftig gestritten, bisher sind beispielsweise weder Weihbischöfe noch Jugendvertreter:innen im Rat vorgesehen und es soll weiterhin die Notwendigkeit geben, dass eigene Mehrheiten unter den Bischöfen geschaffen werden müssen. Hier droht neuer Gegenwind.

„An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“

Am Ende des Synodalen Weges wird aber wahrscheinlich darin der Knackpunkt liegen: Sind die Bischöfe mehrheitlich bereit, einen Teil ihrer Macht abzugeben und die beschlossenen Texte und Reformen auch umzusetzen? Oder werden sie nicht ohne Zustimmung aus Rom handeln? Der BDKJ hat bereits angekündigt, nicht auf Rom warten zu wollen, sondern mit der Umsetzung anzufangen. Dazu schlägt die katholische Jugend synodale Prozesse in den Bistümern vor.

„An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“, heißt es im Ersten Johannesbrief. An der Umsetzung wird sich der Synodale Weg messen lassen müssen. Denn viele Katholik:innen haben ihre letzten Hoffnungen darauf gesetzt. Denn es kommt nicht nur auf die erhofften systemischen Veränderungen an, sondern vor allem darauf, den begangenen sexuellen Missbrauch in Verbindung mit Machtmissbräuchen aufzuarbeiten und künftigen zu verhindern. Zudem geht es auch um ein neues Klima und Miteinander von Klerikern und Lai:innen. Um im nautischen Bild zu bleiben: Das Vertrauen unter den Synodalen hat bei der 4. Synodalversammlung ein großes Leck abbekommen. Dieses wurde zwar notdürftig abgedichtet. Aber das wird das synodale „Schiff“ wohl nur kurzfristig tragen – noch ist kein Land in Sicht.

Christian Schnaubelt
(Redaktionsleiter explizit.net und Berichterstatter für kath.de bei der Synodalversammlung)

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