Ist Sex doch katholisch?

Die Katholische Kirche brennt sich mit den Themen Missbrauch, Homosexualität und dann auch Abtreibung in die Gehirne ein. Kümmert sich diese Kirche noch um die Gottesbeziehung der Menschen, die Verlassenen, die Menschen auf der Flucht?

Wenn man die Gehirne der Menschen in den hiesigen Breiten untersuchen würde, um die Reflexe auf "katholisch" zu messen, dann würde wohl ein Gemisch von Missbrauch, Verzicht auf Sex und männlicher Dominanz auf dem Bildschirm erscheinen. Auch diejenigen, die sich Sonntags die Botschaft Jesu in der Kirche erklären lassen, werden durch die Öffentlichkeitsarbeit der Kirche, die Nachrichtensendungen, die Zeitungsberichte und vor allem durch Fragen "Du bist doch katholisch….?“ darauf stoßen, dass es einmal diese Kirche gibt, die betet, die Eucharistie feiert, sich um Flüchtlinge kümmert und Kindergärten betreibt und dann das, was mit Vorbehalt als "Amtskirche" bezeichnet wird. Mit welcher genialen Strategie erzeugt die Amtskirche diese Wirkung:

Das Thema am Kochen halten

Eine Gesamterhebung aller Fälle kann man als Selbstreinigung verstehen. Ein solches Zählwerk braucht allerdings Zeit. Zudem bleiben Datenerhebungen mit solchen großen Zahlen zu sehr an der Oberfläche. Die Höhe der Zahl der Fälle wirkte erschlagend. Das alte Verhaltensmuster kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit heißt dann: "warten, es wird nicht so schlimm." Wie immer zeigt sich: Eine fehlende Strategie lässt der Berichterstattung freien Lauf. Wie meist sind die Reaktionen umso heftiger. Natürlich sind die "Medien schuld". Diesmal ist es aber noch schlimmer. Die fehlende Öffentlichkeitsstrategie erzeugt den Eindruck, die Kirche bekomme auch das Problem selbst nicht in den Griff.

Keine Therapie aufbauen wollen

Wenn man acht Jahre, nachdem sich in Deutschland die Missbrauchsopfer gemeldet haben, noch einmal das Thema mit einer möglichst vollständigen Auflistung der Fälle aufrollt, dann genügt man erst einmal dem Gebot der Transparenz. Wie erzeugt man dann aber den Eindruck, den Kampf gegen den Missbrauch endgültig verloren zu haben? Indem man nicht erklärt, wie man das Problem in den Griff bekommen will. Ob Diesel, Steuerhinterziehung, Familienclans - wenn die Bürger keine Gegenstrategie erkennen können, verlieren die Verkehrsminister, die Finanzbehörden, die Polizei das Vertrauen. Es ist dann wie bei der Korruption in Rumänien oder dem Verspätungssyndrom der Bahn - man traut der Institution nicht mehr zu, das Problem einzugrenzen. So wie der Bahnfahrer damit rechnet, dass der Zug, in den er einsteigt, unterwegs wegen einer technischen Panne oder eines Computerfehlers im Stellwerk einfach stehen bleibt, so rechnet man in Bezug auf die Katholische Kirche, dass man die nächsten 20 Jahre immer wieder über solche Fälle hören wird, die auch weiterhin erst einmal vertuscht worden sind. Offensichtlich wurde in den letzten acht Jahren kein soziales und therapeutisches Kapital geschaffen, das eine Perspektive aufzeigt.

Umgang mit Sünde, Umgang mit den Opfern

Aus ihrer Gründungsidee wäre die katholische Kirche berufen, eine Vorreiterrolle beim Thema Missbrauch einzunehmen. Es geht um Sünde. Sünde bei denen, die anderen Menschen in der Beichte die Lossprechung von ihren Sünden zusprechen. Das wortreiche Bedauern der Bischöfe ist weit unter den Möglichkeiten ihrer Kirche. Von keinem Bußgottesdienste, von keiner Vergebungsbitte war zu hören. Kein umfassendes Programm der Heilung für die Opfer, stattdessen nur Geldzahlungen. Das Institut zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des Problems ist in Rom an der Jesuitenuniversität eingerichtet. Die reichste Kirche weltweit kann sich ein solches Institut nicht leisten. Wie inzwischen das Meldesystem entwickelt wurde, dass Opfer wirklich gehört werden, wurde nicht recht deutlich. Es genügt nicht, dass es das gibt. Die Bevölkerung muss wissen, wie es funktioniert. Es scheint, dass die "Amtskirche", die über das Geld entscheidet, nicht richtig investiert hat. Deshalb ergeht es ihr wie der Autoindustrie mit dem Diesel. Sie kommt mit den Fahrverboten nicht aus der Schusslinie.

Dann das Thema "Homosexualität"

Warum konnte die Absetzung des Rektors einer kirchlichen Hochschule solche Resonanz finden? Die katholische Kirche hat es mal wieder in die Hauptnachrichten des Fernsehens geschafft. Auch hier setzt sich der Eindruck fest: "Sie können mit dem Thema nicht umgehen." Offensichtlich ist man sich nicht klar, welche Verhaltensnormen da gefragt sind. Stattdessen sollen Hochschullehrer darüber schweigen. Es geht auch um den stnad der Wissenschaft, den die meisten in diesem Lande kennen.Wenn sowohl Homosexuelle. und das gilt auch für Pädophile, ein inneres Schema in sich tragen, das sich durch Therapie nicht grundsätzlich verändern lässt, dann muss eine moralische Institution sich um diese Menschen kümmern. Es ist vergleichbar mit der Erkenntnis, dass die Erde keine Scheibe ist, sondern ein Kugel, auch wenn das so nicht in der Bibel steht. Immerhin hat Kolumbus aufgrund dieser Erkenntnis in See stechen können, um die Rückseite des Planeten zu erkunden.

Die Katholiken in Deutschland müssen sich damit abfinden, dass jedweder Moralanspruch ihrer Kirche mit der Tatsache kollidiert, dass diese Kirche mit dem moralischem Versagen ihrer Kernmannschaft nicht fertig wird. Weiter wird man mit den krassen Fehlleistungen ihrer Öffentlichkeitsreferenten leben müssen. Bei der Bahn steigen ja auch nur die Preise. Dass eine neue Generation von Bischöfen nicht nur jammert, sondern konstruktiv handelt, wurde in den letzten Wochen nicht deutlich. Als Trost kann man zu den Klageliedern im Anschluss an das Jeremiabuch greifen. Oder man macht bei der Caritas mit.

Zur Überschrift: Auch wenn die Katholische Kirche mit dem Thema "Sex" in der Öffentlichkeit sich immer und immer wieder zur Sprache bringt, ist sie wohl die am wenigsten kompetente Institution, um zu dieser Lebenswirklichkeit ein gesundes Verhältnis zu gewinnen. Dann kann sie auch keine ethischen Verhaltensnormen entwickeln. Dass Verhaltensnormen, seien sie noch begründet, dieser Kirche abgenommen würden, dürfte vorest eine utopische Erwartung sein.