Generation Klimasünder

Über kaum eine Person des öffentlichen Lebens wird derzeit so intensiv berichtet wie über Greta Thunberg. Die 16-jährige Klimaaktivistin ist nicht nur die Initiatorin der „Fridays for Future“ – Bewegung sondern gilt als Aushängeschild einer ganzen Generation. Doch sind die Forderungen dieser jungen „Klimaschützer“ überhaupt vereinbar mit deren Lebensstil?


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Der Berliner Erzbischof verglich die von Greta initiierten Freitagsdemos, bei denen nicht nur die Sache sondern auch Greta selbst gefeiert wird, mit Jesu Einzug in Jerusalem am Palmsonntag. Tatsächlich kann man in der „Fridays for Future“–Bewegung auch gewisse Züge einer Religion erkennen, mit Greta als Prophetin. Ihr Aufruf zum Klimaschutz hat Menschen auf der ganzen Welt erreicht und mobilisiert; vor allem die U30-Generation. Klimaschutz wird zunehmend auch zu einer Generationsfrage. Endlich gehen junge Menschen wieder auf die Straße, um aktiv für ihre Belange einzutreten, anstatt sich bequem mit den Handlungen der alten Politiker zufrieden zu geben. Denn für die Misere, in der sich unser Klima befindet, machen viele die älteren Generationen verantwortlich.

Wegwerfgesellschaft

Es stellt sich jedoch unweigerlich die Frage, inwieweit wir U30–Klimaschützer dazu bereit sind unseren eigenen Lebensstil zu hinterfragen und zu verändern, um unsere Klimaziele in die Tat umzusetzen. Schließlich sind wir unter 30-Jährigen eine Generation des Überflusses. Globaler Konsum, Massenproduktion und die Kurzlebigkeit von Waren wurden uns in die Wiege gelegt. Dabei sind gerade dies die größten Klimasünden, die sich sofort und ohne Gesetze und Politik vermeiden ließen. Hat man sich vor 40 Jahren Elektro- oder Haushaltsgeräte angeschafft, waren diese meist so teuer, dass es eine Investition für Jahrzehnte war. Die Echtholz-Schrankwand überlebte ein halbes Dutzend Umzüge und das Soundsystem war so lange in Gebrauch, bis die Kassetten von CDs abgelöst wurden. Heute wollen wir uns alle paar Monate für unter 50 Euro neu einkleiden und die Geräte, die wir kaufen, sind nicht nur in der Anschaffung, sondern auch in ihrer Fertigung so billig, dass sie nach wenigen Jahren reif für den Elektroschrott sind. Was dann doch mal länger als zwei Jahre hält, wird dennoch ausgetauscht, weil es eine minimal bessere Auflösung oder eine kaum merkliche Verbesserung der Speicherkapazität besitzt.

Dicke Luft

Stattdessen werden Atom- und Kohlekraftwerke, Benzinschleudern und Dieselfahrzeuge zu Symbolen der Klimasünden unserer Eltern und Großeltern. Wir sind heute natürlich nicht mehr so alternativlos. Unsere Geräte sind energieeffizienter und der Strom, den wir verbrauchen, sauberer. Deshalb kann es auch in den Hintergrund gedrängt werden, dass die Serverfarmen von Google, Facebook und Co. jährlich einen ähnlichen Energieverbrauch haben wie manch eine Millionenstadt. Allein Facebook verbraucht jährlich in etwa so viel Energie wie eine halbe Millionen Privatpersonen in Deutschland. So wird jeder Post, jeder Upload zur Klimasünde. Gleiches gilt auch für unseren Urlaub. Wir sind es von klein auf gewohnt Urlaub fernab von Balkonien zu machen. Während es in der Ü60-Generation noch eine Großzahl an Menschen gibt, die noch nie geflogen sind, verzeichnet so mancher Teenager heute schon eine beachtliche Sammlung von Flugmeilen. Ob ein kurzer Trip ins Nachbarland oder gleich über den großen Teich: Hauptsache weg. Dank sogenanntem „klimaneutralen Fliegen“ brauchen wir auch kein schlechtes Gewissen mehr zu haben. Um den Ausstoß von den Tonnen an CO2 wieder auszugleichen, investieren wir durch einen kleinen Aufpreis auf das Ticket in Klimaschutzprojekte, wodurch die Abgase zwar nicht mehr aus der Luft geholt werden, aber dafür an anderer Stelle das Klima geschützt wird.

Forderungen an sich selbst

Die Schüler und Studenten der „Fridays for Future“–Bewegung verlangen zu Recht von der Politik endlich mehr Handeln in Sachen Klimapolitik und schließlich auch die Umsetzung ihrer Versprechungen. Doch gleichzeitig sollte jeder auch Forderungen an sich selbst stellen. Denn wir brauchen nicht nur eine Abkehr von fossilen Energieträgern, sondern genauso von Billigflügen und Billigklamotten. Wir fordern Taten, damit unser Planet eine Zukunft hat. Geben wir unseren Konsumgütern eine längere Zukunft, denn dann können wir auch einen Beitrag zur Zukunft unseres Planeten leisten. Auch darin versucht Greta Thunberg, die komplett auf Flugreisen und tierische Produkte verzichtet, mit gutem Beispiel voranzugehen und zeigt, wie eine Generation, die als Klimasünder geboren wurde, einen klimafreundlichen Lebensstil annehmen kann. Immerhin glauben laut neusten Umfragen zur „Fridays for Future“–Bewegung rund 78 Prozent der der unter 30–Jährigen, dass jeder Einzelne in seinem Alltag einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Wie weit der Einzelne jedoch gehen würde, um seinen Lebensstil klimafreundlich zu gestalten, bleibt offen.

Doch dank der unbequemen jungen Menschen, die sich trauen mit ihren Forderungen auf die Straße zu gehen, wird zumindest jeder, ob nun U oder Ü30, dazu angehalten seine eigene Verantwortung für das Klima zu hinterfragen. Um dem Klimawandel entgegenzuwirken braucht es mehr als Gesetzesänderungen und Politiker, die endlich handeln. Zuallererst braucht es ein Umdenken in jedem von uns.