Das Europaparlament braucht mehr digitale Kompetenz

Das Internet soll stärker geregelt werden. Nicht nur Google und YouTube sollen verdienen, sondern auch die Autoren sollen auch im Internet wie bisher von ihren Werken leben können. Das sichert auf Dauer die Qualität von Texten, Videos, Musik, Software. Gegen neue Regelungen haben vor allem in Deutschland viele junge Leute protestiert. Auf die Widerstände sollten Europaparlament und Bundestag klug reagieren. Ein medienpolitischer Kommentar von Eckhard Bieger.

Keine Maschinen gegen Autorenleistungen, keine Monopole, ein sicheres Internet, an den Zielen sollte festgehalten werden, denn Europa hat ein qualitativ hochwertiges Internet verdient. Wir haben zwar Vielfalt, aber zu wenig Qualität, wir haben keinen Schutz der Privatsphäre und Monopole, die keine Konkurrenz hochkommen lassen.

Die Kultur ist herausragendes Kennzeichen Europas

Die Kulturen Europas ziehen weltweit Touristen an. Sie besuchen die Kirchen und Museen, hören Musik europäischer Komponisten, besuchen Opern- und Theateraufführungen, weil früher viele Städte und Fürstentümer intensive Kulturförderung betrieben haben. Der Tourismus lebt von diesen Investitionen. Das Medium Internet muss mehr an diese große Tradition "angeschlossen" werden. Filtersoftware für Konzerne (vor allem aus den USA) ist keine europagemäße Lösung. Der Verzicht auf Uploadfilter ist pragmatisch geboten. Es reicht nämlich die Vorgabe, dass der Urheber den Upload veranlasst hat und die Inhalte verantwortet. Das Verlangen die Gesetze bereits. Über die Gerichte hätte das längst durchgesetzt werden können, zumindest in Europa.

Eine Maschine kann nicht eine Willensentscheidung kontrollieren

Die Übertragung eines Gutes, ob der Verkauf einer Waschmaschine, die Aufnahme eines Gedichts in ein Schulbuch, das Foto auf einem Buchcover, ein Orchesterstück als Filmmusik, es bedarf jeweils der Einwilligung beider Seiten. YouTube ist bereits durch die bestehenden Gesetze verpflichtet, die Zustimmung der Urheber einzuholen. Das geschieht in den meisten Fällen dadurch, dass der Urheber selbst das Video hochlädt. Es war immer schon Aufgabe der Plattform, dafür eine Einwilligung einzuholen. Bei der Lieferung einer Waschmaschine erfolgt die Einwilligung des Käufers durch die Bezahlung. Erfolgt die Zahlung in Raten, muss dafür ein Vertrag unterschrieben werden. Ähnlich müsste YouTube verfahren. Wenn jemand das Werk eines anderen Urhebers oder auch nur Teile eines Werkes verwendet, muss er die Einwilligung des Komponisten, Fotografen, Textautors vorlegen. Warum hat YouTube nicht längst eine solche Registrierung eingeführt: Weil die Plattform mehr Besucher bekommt, wenn herausragende Werke, ob Film oder Musik, sich bei YouTube finden und einfach zu finden sind. Dies erhöht die Klickzahlen und die Werbe-Einnahmen von YouTube. Warum die Netzpolitiker das nicht sehen, zeigt eine mangelnde Entwicklung der europäischen Rechtskultur. Doch zuerst die Erklärung, wie es zu den Monopolen von Facebook, YouTube, Google kommt.

Fehlendes Recht züchtet Monopole

Den Internetkonzernen konnten die Proteste nur gelegen kommen. Denn je weniger oder gar keine Regelungen, desto leichter für die Platzhirsche, mögliche Konkurrenz zu verhindern. Das geschieht nicht mehr mit Pistolen, sondern wirtschaftlich, indem die Dienste ohne Gebühr zur Verfügung gestellt werden. Weil kein Newcomer Aussicht hat, mit den bisherigen Platzhaltern gleichzuziehen, sind die Werbetreibenden gezwungen, ihre Banner oder Spots beim Monopolisten zu schalten. Wer also für YouTube auf die Straße geht, demonstriert nicht nur für Freiheit der Medien, sondern auch für Monopole. Das widerspricht der kulturellen Vielfalt Europas. Zudem bringen Monopole immer Nachteile für den Verbraucher. Nun kann man keinem Unternehmen übel nehmen, wenn es seinen wirtschaftlichen Erfolg optimiert. Aber es ist ein riesiges Versagen der Gesetzgebung, dass das Recht nicht den freien Zugang neuer Anbieter ermöglicht. Das muss in einer Wirtschaftsunion für alle Länder nach etwa gleichen Regeln gesichert werden. Eine bloß technische Lösung zeigt, dass Europa sein Recht nicht entwickelt hat.

Europa muss seine Rechtstradition weiter entwickeln

Die Staaten Europas mit ihren Kulturen und ihrer Wirtschaft haben als Fundament ein sich ständig entwickelndes Rechtssystem. Offensichtlich sind noch keine Regelungen gefunden, die die digitalen Medien in ihrer Eigenart erfassen. Der Markt für das Digitale hat Monopolisten hervorgebracht. Das nennt man Marktversagen. Denn, wie oben gezeigt, je weniger Regulierung, desto besser für die Großen. Aber ob Zeitschriften, Buchverlage, Galerien, Konzertveranstalter, es muss für Neugründungen überhaupt eine Chance geben. Deshalb muss das Recht in europäischer Tradition Vielfalt sichern. Unter dieser Rücksicht ist es lächerlich, dass der Platzhirsch Google einige Brosamen an die Zeitungsverlage zahlen soll, er wird weiter wachsen und jeden Neugründung finanziell erschweren. Es sei denn die Verlage in Deutschland einigen sich endlich auf eine eigene Plattform, um Bezahlinhalte zu vermarkten. Einige Protestierer haben nicht verstanden, dass sie für einen Monopolisten auf die Straße gegangen sind. Das Parlament hat sich lächerlich gemacht, indem es Verlinkung regulieren will, wo doch das Zitieren und das Verweisen auf andere Literatur gute europäische Tradition ist. Auch die Persiflage und die Satire gehören zur europäischen Kultur.

Welches Recht braucht die digitale Welt?

Da der einzelne Autor, der Komponist, der Fotograf gegenüber den Konzernen in der schwächeren Position ist, braucht er den Schutz des Rechtes. Will man tatsächlich Kultur fördern, dann muss man am Beginn ansetzen, da wo Kultur entsteht, nämlich bei den Autoren. Wenn die Autoren kostenfrei liefern sollen und die Verteiler der Werke das ganze Geld bekommen, ist das Rechtsversagen. Monopole sind sowohl für die Verbraucher wie für die Wirtschaftsentwicklung nachteilig. Eine offene Gesellschaft ist auf Entwicklung angelegt, sie muss die Bildung von marktbeherrschenden Unternehmen unterbinden. Das leistet der Markt nicht aus sich selbst. Es ist auch die Konsequenz eines allein auf Geld hin konzipierte Wirtschaftsordnung, dass sie kulturelle Räume erdrosselt. Es braucht nicht nur wegen der Innovationskräfte der Wirtschaft eine Rechtsordnung, die Vielfalt ermöglicht. Europa muss seiner Tradition treu bleiben, indem es die Beziehungen zwischen Menschen nicht allein über die Geldflüsse gestaltet. Deshalb muss nicht nur die technische Infrastruktur, sondern auch das kreative Potential entwickelt werden. In der Konsequenz heißt das:

  1. Anstelle von Filtersoftware eine Registrierung, wer Urheber ist und Platz für eine Willenserklärung der Urhebers, dass ihr Werk genutzt werden kann, eigentlich das, was bei Fotos schon üblich ist. Das macht eine Filtersoftware überflüssig.

  2. Abbau der Monopole, dass neue Anbieter die Chance haben, sich am Markt zu etablieren. Das erfordert für Plattformen eine Art Maut ähnlich wie für die Benutzung von Autobahnen. Die Maut gilt nur ab einer bestimmten Größe und wenn Einnahmen erzielt werden. Das ermöglicht Newcomern, erst einmal eine bestimmte Größe zu erreichen. Zum anderen bleiben kleinere Anbieter außerhalb einer Zahlungsverpflichtung.

  3. Eine isolierte Abgabe an Zeitungsverlage verletzt den Gleichheitsgrundsatz und wird, wenn es einen Kläger gibt, von den Gerichten außer Kraft gesetzt werden. Die InternetMaut und ein Mindestlohn für Internetworker müssen durch eine unabhängige Verteilstelle an die Autoren fließen. Die VG Wort und die VG Bild sind dafür geeignet, die GEMA hat bereits entsprechende Verträge ausgehandelt. Allerdings muss gewährleistet sein, dass die Urheber auch Mitspracherechte bei den Verwertungsgesellschaften bekommen und diese nicht eigene Monopolisten werden.